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Vorwort

„Ich bin fremd gewesen, und ihr habt mich auf­ge­nom­men“: Immer schon hat die Kir­che in die­sem Satz ei­nen kla­ren Auf­trag ge­hört. Chris­tus, der sich als Wel­ten­rich­ter am En­de al­ler Zei­ten ver­wechsel­bar macht mit den Hun­gern­den, Kranken, Ge­fangenen und Frem­den, ruft uns an deren Seite.

Präses Annette Kurschus

Präses Annette Kurschus

Als im Herbst 2015 in großer Zahl und binnen kurzer Frist Menschen in unser Land kamen, die Schutz vor Krieg und Verfolgung und neue Lebens­perspektiven suchten, fragte auch die Kirche zu­allererst danach, was hand­fest zu tun sei. Gemeinden und Kirchen­kreise, Ämter und Werke und vor allem zahl­reiche Ehren­amtliche boten – und bieten – konkrete Hilfe an: Vom Ob­dach über den Sprach­kurs, die Kleider­spende, die Hilfe bei Behörden­gängen bis zum Kirchen­asyl.

Mit der Zeit aber wurden – und blieben – in Gesell­schaft und Kirche tiefere Fragen und neue Heraus­forderungen wach. Grund­sätzliche Sorgen meldeten sich, vernach­lässigte Probleme traten zutage, Konflikte eskalierten teil­weise zu offener Gewalt.

„Ich bin fremd gewesen, und ihr habt mich auf­genommen“: Der biblische Satz regt dazu an, im Fremden mehr zu sehen als ledig­lich den Bedürftigen, der Hilfe braucht.
Fremde sind Menschen mit anderer Kultur, mit ande­rer Reli­gion, mit anderer Sprache aus einem ande­ren poli­tischen Kontext. Das löst manche Sorge und manche Be­frem­dung aus, die nicht über­spielt oder klein­geredet werden dürfen.
Geflüchtete, Migran­tinnen und Migran­ten sind Men­schen, die „Ich“ sagen; die ihre Ge­schichte haben, von ihren Sorgen und Hoff­nungen er­zählen können, selber mit­reden und aktiv sind. Sie wollen nicht auf Dauer Ob­jekte von Mit­leid und Zu­neigung, von Skep­sis oder Angst bleiben.

„Ihr habt mich aufgenommen“: Viel Bereit­schaft zur Ver­änderung ist nötig, damit solches Auf­nehmen gelingen kann. Viel Offenheit braucht es, damit wirk­liches An­kommen und echtes Mit­ein­ander möglich werden. Bei denen, die kommen. Und bei denen, die da sind.

Dass in den Heraus­forderungen der Fremd­heit Chris­tus selbst begegnet, ist leise Ahnung, kräftige Provo­kation und tiefe Ver­heißung zugleich.
Es gilt, besonders auf­merk­sam hin­zu­sehen und hin­zu­hören, klar die Fragen und Fakten zu be­nennen, Posi­tion zu be­ziehen und Rat­losig­keit aus­zu­halten. Und: Es verbietet sich, Fremd­heit von vorn­herein als Bedrohung ab­zuwehren und Migration und Flucht aus­schließlich als Problem zu verstehen.

Im Fremden beschenkt Christus als Herr der Kirche die Kirche mit sich selbst.
Diese leise Ahnung, diese kräftige Provo­kation, diese tiefe Ver­heißung ist auch in der Evan­gelischen Kirche von West­falen an­ge­kommen. An vielen Orten und auf vielerlei Weise ist sie hier bei uns zu über­raschen­den und be­glücken­den Er­fahrungen geworden.

Dies stimmt dank­bar und hoffnungs­voll. Es lässt neu­gie­rig fragen, was Ge­flüchtete mit­brin­gen und brau­chen, was im Blick auf Flucht und Migration dem Frie­den dient, was das Mit­einander stärkt und die Wür­de aller achtet. Es lässt staunen über die vielen Mög­lich­keiten der Kirche, sich selbst zu ver­ändern und zu öffnen, um ihrem frem­den Herrn neu zu begegnen.

Die Haupt­vorlage lädt ein zum Nach­denken und Nach­fragen, zu Er­gänzung und Kritik, zu respekt­vollem Streit und zu über­raschenden Entdeckungen.

Ich danke allen Verantwortlichen für ihre Mühe, Sorg­falt und Kreativität, die in die Er­stellung der Haupt­vorlage geflossen sind. Allen, die sich mit der Haupt­vorlage be­schäftigen, mit­denken, mit­reden und mit­fragen, wünsche ich Gottes Segen.

Annette Kurschus
Präses

 

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