4. Konsequenzen für Kirche und Gesellschaft
Ü B E R B L I C K
Gesellschaft verändert sich durch Migration. Auch die Kirchen werden sich verändern müssen. Den Prozess können sie mitgestalten. Das bietet ihnen mehr Chancen als Risiken…
Als „Kirche mitten in der Welt“ wollen wir unserem Selbstverständnis gemäß einen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben in der Gesellschaft leisten. Für die Gestaltung einer von Migration bestimmten Gesellschaft bringen wir wertvolle Erfahrungen aus der ökumenischen Arbeit und aus dem interreligiösen Dialog mit. Unser langjähriges gesellschaftspolitisches Engagement weist uns zudem als wichtige Gesprächspartnerin für Politik und Zivilgesellschaft aus.
Das folgende Kapitel zeigt den Handlungsbedarf, den wir bei uns als Evangelische Kirche von Westfalen selbst sehen, und es werden die Forderungen skizziert, die wir in den politischen und gesellschaftlichen Diskurs einbringen wollen.
4.1 Den Dialog festigen – Die interkulturelle Entwicklung der Kirche fördern
Ü B E R B L I C K
Wer über seinen eigenen Glauben und seine Kultur spricht, lernt und vergewissert sich seiner selbst. Respekt voreinander und gegenseitiges Verständnis bilden die Grundlage dafür, Gegenwart und Zukunft miteinander zu gestalten…
Wer heute als Christin oder Christ in Deutschland lebt, taucht nicht unbedingt in einer Ortsgemeinde auf. Christsein in Deutschland ist zunehmend geprägt von einer wachsenden Vielfalt von Glaubensgemeinschaften und Frömmigkeitsformen. Das erweist sich als Herausforderung für das ökumenische Gespräch. Die Ortsgemeinden und lokalen ACK (Arbeitsgemeinschaften Christlicher Kirchen) haben die christlichen Gruppen, Freikirchen und (Migrations-)Gemeinden in ihrem Einzugsbereich nicht immer genügend im Blick, und diese wünschen ihrerseits nicht alle den Kontakt.
Ein großer Teil der Migrantinnen und Migranten in Deutschland stammt aus Ländern, in denen nicht-christliche Religionen die Mehrheit bilden. Muslime verschiedenster Prägung, Juden, Hindus, Buddhisten, Jeziden, Aleviten, Bahai, Sikhs und Angehörige anderer religiöser Gruppierungen sind nach NRW zugewandert und treffen in vielen Fällen auf Gläubige ihrer je eigenen Religionen, die schon länger in Deutschland ansässig sind. Gerade die muslimischen Verbände haben Migrantinnen und Migranten durch vertraute Strukturen Rückhalt geben können. Dies hat zum Teil Integration befördert. Der ausschließliche Gebrauch der Muttersprache und die Orientierung an nationaler oder ethnischer Zugehörigkeit können aber auch die konstruktive Auseinandersetzung mit der neuen Gesellschaft, ihren Werten und Beteiligungsmöglichkeiten erschweren.
Der interreligiöse Dialog knüpft an der Religiosität von Migrantinnen und Migranten an und unterstützt sie bei der Wahrnehmung ihres Rechts auf freie Religionsausübung. Durch die Information über religiöse Feste oder die Schaffung von Gebetsräumen in Krankenhäusern etwa entsteht wechselseitige Kommunikation. Es werden Brücken in die Gesellschaft hinein geschlagen, die wiederum ein Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt sind. Dasselbe gilt übrigens auch für das ökumenische Gespräch mit zugewanderten christlichen Gruppen.
Für die Gläubigen der in Deutschland ansässigen Mehrheitsreligion ist der interreligiöse Dialog bedeutsam, weil der Austausch mit Andersgläubigen zur Überprüfung des eigenen Glaubens und zu dessen Profilierung führt. So ist er ein Beitrag zur Ausformung christlicher Sprachfähigkeit. Beispiele für eine Kooperation der Religionen und Konfessionen, die in das Gemeinwesen hinein wirkt, sind die in Westfalen gut etablierten Friedensgebete der Religionen und die Interkulturellen Wochen sowie die Woche der Brüderlichkeit.
Der interreligiöse Dialog hat eine gute Tradition in Westfalen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden von Respekt und Vertrauen geprägte Beziehungen aufgebaut. Sie fördern das gegenseitige Verständnis und bilden eine gute Basis, um die religiösen, menschlichen und politisch-gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart gemeinsam anzugehen.
Eröffnung eines alevitischen Grabfeldes auf einem kommunalen Friedhof. Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Gesellschaft, aus Kirchen und unterschiedlichen religiösen Gemeinden kommen zusammen. Es gibt Grußworte, Gebete, erklärende Ansprachen und gesungene religiöse Lieder. Eine Vertreterin des Geistlichenrates eröffnet das Grabfeld – für viele Anwesende ein sehr bewegender Moment. Die anschließenden Gespräche drehen sich um die Themen Heimat und Tradition, Buchreligion und mündliche Überlieferungen, Rollenverständnis und kulturelle Prägungen, Monotheismus und Trinität.
Annäherungen erfolgen über einen Dialog. Maßgeblich sind für mich dabei die „Merkmale eines echten Gespräches“ nach Martin Bubers Dialogik: „Die Partner müssen alle Erwägungen immer gemeinsam anstellen; keiner darf dem anderen sein Urteil und keiner darf sich das Urteil des anderen ersparen; keiner darf den Dialog programmieren, jeder muss sich vielmehr seinen Überraschungen aussetzen, und jeder muss bereit sein, verändert aus ihm hervorzugehen.“
Agim Ibishi, muslimischer Mitarbeiter der Diakonie im Ev. Kirchenkreis Herford
Die interkulturelle Entwicklung der Kirche fördern
Vielfalt ist ein Geschenk, das es zu pflegen gilt. Das gilt auch für die Vielfalt, die Menschen verschiedener Herkunft und kulturellen Hintergrunds für unsere Kirche bedeuten können. Diese Vielfalt kann bereichernd in der Kirche wirken.
Ganz praktisch könnte das so aussehen:
Kirchengemeinden erörtern die Thematik mit dem Ziel des Kennenlernens, der Ansprache und systematischen Einbeziehung der Christen anderer Sprache und Herkunft. Besonders jener, die auf dem Gebiet der Gemeinde leben und/oder schon über Kindergarten, Jugendarbeit und ähnlichem Kontakt zur Gemeinde haben. Presbyterien entwickeln eine Strategie zur Förderung der Vielfalt in den gemeindlichen Gremien. Diese fließt in die Gemeindekonzeption ein und wird schrittweise umgesetzt.
Kirchenkreise beschäftigen sich im Kreissynodalvorstand mit dem Thema. In welchen Entscheidungsgremien dient Pluralität der Herkunft und kulturelle Diversität zur Qualitätssteigerung? Sie entwickeln eine Strategie, um Diversität zu nutzen. Diese fließen in die Kirchenkreiskonzeption ein.
Die Landeskirche berät und beschließt eine Strategie, um kulturelle Diversität zu fördern und zu nutzen. Dies fließt in das Personalentwicklungskonzept ein. Die Förderung des Ehrenamtes wird auch unter dem Gesichtspunkt des Diversity Managements vorangetrieben.
Besonders erfreulich finde ich, dass die Evangelische Kirche auch auf sich selbst einen kritischen Blick werfen möchte und zum Beispiel einen Handlungsbedarf erkennt, sich noch stärker interkulturell öffnen zu müssen. […] Die interkulturelle Öffnung von staatlichen Einrichtungen, Strukturen und Behörden ist mir, aber auch der Landesregierung, ein besonderes Anliegen. Zum einen, weil sie eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe und gelingende Integration der Menschen mit Einwanderungsgeschichte darstellt. Zum anderen bringen es der in vielen Bereichen drohende Fachkräftemangel und die notwendig gewordenen Anpassungen von Strukturen, Angeboten und Dienstleistungen an die zunehmende Vielfalt der Gesellschaft mit sich, dass auf die Kompetenzen und Potenziale von Menschen mit Einwanderungsgeschichte nicht verzichtet werden kann und auch nicht verzichtet werden darf.
Serap Güler, Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW
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4.2 Kirchenasyl gewähren – Recht auf Asyl stärken – sichere Passagen gewährleisten
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Der Druck auf Gemeinden, die ein Kirchenasyl gewähren, ist zuletzt gestiegen. Obwohl es kein Politikum sein will, wird es zu einem gemacht. Dabei will es dazu dienen, Zeit für Härtefälle zu gewinnen, um Abschiebungen in Einzelfällen zu verhindern, bei denen Menschenrechte verletzt werden…
Kirchenasyl
Unter Kirchenasyl versteht man heutzutage die Aufnahme von Flüchtlingen in die Obhut einer Kirchengemeinde, um eine den Flüchtlingen drohende staatliche Abschiebung zu verhindern. Die Zahl der Fälle, in denen dieser kirchliche Abschiebungsschutz gewährt wird, ist vergleichsweise gering angesichts der mehr als eine Million Flüchtlinge, die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind. Die ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ beziffert die Zahl für November 2017 bundesweit mit 348, während das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von Mai bis September 2017 insgesamt 679 Fälle gezählt hat. In Nordrhein-Westfalen gab es Ende August 2017 etwa 100 Fälle von Kirchenasyl.
Trotz der geringen Zahl führt das Kirchenasyl regelmäßig zu heftigen Kontroversen. Kritiker beanstanden, die kirchliche Asylgewährung erhebe sich über das allein maßgebliche staatliche Recht, stelle Humanität über Gesetze und bewirke damit eine Aushöhlung des Rechtsstaats. An dieser Kritik ist richtig, dass Kirchenasyl eine Abschiebung zunächst einmal vereitelt. Dies geschieht jedoch nicht willkürlich oder als Ausdruck eines kirchlichen Widerstandsrechts gegenüber dem Staat. Es handelt sich vielmehr um einen seelsorgerlichen und diakonischen Beistand für besonders Bedrängte. Ziel ist, für eine neue Gesprächssituation zwischen Staat und Flüchtling zu sorgen, begleitet von der Kirche. Für die Kirchen ist die Asylgewährung „ultima ratio“, also letztes Mittel, um in besonders gelagerten Härtefällen mögliche drohende Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.
Grundsätzlich respektiert der Staat dieses Selbstverständnis der Kirchen. Auf dieser Grundlage haben die Kirchen im Jahre 2015 mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Vereinbarung zur Regelung besonderer Härtefälle getroffen. Danach greift der Staat in solchen Fällen nicht ein und akzeptiert, dass während des Kirchenasyls die Abschiebung noch einmal juristisch überprüft wird. Im Gegenzug sind die Asyl gewährenden Kirchengemeinden vor Ort verpflichtet, jeden Einzelfall den Behörden sowie den zuständigen kirchlichen Stellen zu melden. Es geht also nicht darum, den Flüchtlingen heimlich Unterschlupf zu gewähren.
In der großen Mehrzahl aller Fälle von Kirchenasyl seit 2015 hat die erneute Prüfung zu einem positiven Ergebnis geführt, das heißt zu einem Bleiberecht für die betroffenen Flüchtlinge.
Das Recht auf Asyl stärken
Mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind grundlegende Rechte und Schutzansprüche für Flüchtlinge auf der Basis der Genfer Flüchtlingskonvention festgeschrieben. Alle Mitgliedsstaaten sind dazu verpflichtet, Geflüchteten Schutz zu gewähren und ihren Anspruch auf Asyl rechtsstaatlich zu prüfen.
Die tatsächliche Entwicklung des Flüchtlingsschutzes in der EU hinkt diesen Ansprüchen hinterher. Von einheitlichen Standards der Asylverfahren und der sozialen Teilhabe für Geflüchtete in den Mitgliedsstaaten kann trotz der EU-Richtlinien keine Rede sein. Besonders Staaten an den EU-Außengrenzen, insbesondere in Mittel- und Osteuropa sowie Südeuropa, verweigern faire Asylverfahren und angemessene Versorgung und Unterbringung. Durch die Verstärkung des Grenzschutzes mit dem Ziel der Abschottung der EU wird die Genfer Flüchtlingskonvention faktisch in Frage gestellt. Insbesondere die Weigerung, Schiffe mit aus Seenot geretteten Flüchtlingen in einen sicheren europäischen Hafen einlaufen zu lassen, ist aufs Schärfste zu kritisieren.
In Deutschland herrschen recht hohe Standards für die hier ankommenden Flüchtlinge. Dennoch trägt auch die Bundesrepublik die Politik der Abschottung Europas im Grundsatz mit. Hinter den „Asylpaketen“ I und II und dem „Gesetz zur Durchsetzung der Ausreisepflicht“ verbergen sich zahlreiche gesetzliche Regelungen, die abschrecken sollen und der Genfer Flüchtlingskonvention zuwiderlaufen.
Insbesondere kritisieren wir als EKvW die Möglichkeit, Asylantragssteller bis zu 24 Monate oder gar ohne zeitliche Begrenzung in der Erstaufnahme festzuhalten. In dieser Zeit gilt: keine Integrationskurse, keine Schulpflicht für die Kinder und keine Arbeitserlaubnis.
Problematisch ist es auch, die Hürden zu erhöhen für die Anerkennung von posttraumatischen Belastungsstörungen oder anderen Erkrankungen. Ethisch und rechtlich bedenklich ist die Verweigerung der Familienzusammenführung von Flüchtlingen mit „subsidiärem Schutz“. Dies steht dem Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie sowie der UN-Kinderrechtskonvention entgegen.
Diese Missstände werden wir als Kirche weiterhin deutlich beim Namen nennen. Wir werben für eine humane Flüchtlingspolitik in ganz Europa (Link zum Trailer „Yves Versprechen“).
Sichere Passagen gewährleisten
Als zusätzliches Instrument setzt sich die EKvW dafür ein, besonders schutzbedürftigen Geflüchteten eine sichere Passage nach Deutschland zu ermöglichen, entsprechend zum in Italien bereits erfolgreich praktizierten Programm der „Humanitären Korridore“. Es handelt sich hierbei um ein Programm, das 2015 auf ökumenische Initiative der evangelischen Organisation „Mediterranean Hope“ vom Protestantischen Kirchenbund gemeinsam mit der Gemeinschaft Sant’Egidio in Kooperation mit dem italienischen Staat aufgelegt wurde. Die westfälische Landessynode hat ihre Bereitschaft zu einem Pilotprojekt mit zunächst rund 100 Plätzen verbindlich beschlossen. Zusammen mit den Geschwisterkirchen in NRW, der EKD und dem Diakonischen Werk setzt sich die EKvW gegenwärtig in Verhandlungen mit dem Bundesinnenministerium dafür ein, diesen Ansatz unter den entsprechenden Rahmenbedingungen in Deutschland umzusetzen. Dafür zeichnen sich Möglichkeiten ab im Rahmen eines Community Sponsorship-Pilotprojekts (CSP) der Bundesregierung im Zusammenhang mit ihrem aktuellen Resettlement-Programm. Wir wissen um den zunächst exemplarischen Charakter eines solchen Projektes.
„Mediterranean Hope“ (MH) ist die Flüchtlingshilfsorganisation unserer italienischen Partnerkirche der Waldenser und Methodisten, getragen von der Föderation der evangelischen Kirchen Italiens (FCEI). Über das Programm der Humanitären Korridore wurde inzwischen weit über 1.000 besonders schutzbedürftigen Menschen ermöglicht, mit einem humanitären Visum aus Flüchtlingslagern im Libanon legal nach Italien einzureisen. Dort übernahmen die Kirchen für die Zeit von Asylverfahren und Erstintegration ihre Unterbringung und Betreuung. Das Pilotprojekt war so erfolgreich, dass eine Anschlussvereinbarung weiteren 1.000 Geflüchteten eine sichere Passage nach Italien ermöglicht. Die Kooperation wurde ausgeweitet auf Betreiben der Katholischen Bischofskonferenz in Italien für Flüchtlinge aus dem Sudan. Sondierungen für einen Humanitären Korridor aus Marokko sind abgeschlossen. In Frankreich und Belgien gibt es inzwischen vergleichbare Vereinbarungen der Kirchen mit dem Staat.
Flüchtlingsboot auf Lampedusa. Foto: Dirk Johnen
Eine Antwort auf „4.2 Kirchenasyl gewähren – Recht auf Asyl stärken – sichere Passagen gewährleisten“
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Wenn das Bundesamt nicht so schlampig arbeiten würde, dann gäbe es von vornherein deutlich mehr Anerkennungen – und deutlich weniger Notwendigkeiten für Kirchenasyl. Das sollte unsere Kirche sehr deutlich und sehr offensiv gegenüber allen Kritikern aus der Politik zur Sprache bringen!
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4.3 Ein Einwanderungsgesetz einführen
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Unbestritten ist nahezu, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Bis heute fehlt jedoch ein sogenanntes Einwanderungsgesetz wie es in anderen Staaten besteht. Es könnte Zuwanderung besser regeln und sollte ein Zusammenleben von „Einheimischen“ und Menschen verschiedener Herkunft fördern…
Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich endlich in der Politik ein Konsens über die Notwendigkeit eines Einwanderungsgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland abzeichnet. Um Zuwanderung und Integration zu gestalten, ist ein Gesamtkonzept erforderlich. Es muss klare Ziele festlegen: humanitärer Verantwortung gerecht werden, zur Sicherung des Wohlstands beitragen, das Zusammenleben von Deutschen und Zuwanderern verbessern und Integration fördern.
Ein Einwanderungsgesetz, das offiziell anerkennt, dass die Bundesrepublik ein Einwanderungsland ist, würde die Akzeptanz von Zuwanderung und kultureller Vielfalt fördern. Entsprechend gestaltete Kriterien, Regeln und Verfahren für Migration nach Deutschland würden in der gegenwärtig angespannten gesellschaftlichen Situation für Entspannung und Klarheit sorgen. Auch könnten durch ein Einwanderungsgesetz der demografisch bedingte Rückgang an qualifizierten Arbeitskräften gebremst und die Erwerbstätigkeit insgesamt gesteigert werden.
Ein solches Einwanderungsgesetz auf der Basis eines Gesamtkonzeptes „Migration und Integration“ wäre ein Perspektiv- und Paradigmenwechsel. Er würde Abschottung und Ausgrenzung überwinden und Wege zum Aushandeln von Regeln der Aufnahme von Zuwandernden konstruktiv beschreiben. Dieses Einwanderungs- und Integrationsgesetz müsste ein humanes und menschenrechtsorientiertes Flüchtlingsrecht ausdrücklich einschließen, das an die Genfer Flüchtlingskonvention gebunden ist. Integrationsmaßnahmen müssten Geflüchteten wie anderen Zugewanderten in gleicher Weise offen stehen.
Die Schlüssel-Entscheidungen zum Umgang mit den Flüchtlingen wurden top‑down getroffen und von vielen Medien (gefühlt) top-down kommuniziert – vorbei an den dafür vorgesehenen Willensbildungsprozessen. Der Wandel zur Migrationsgesellschaft wird aber nur gelingen, wenn er demokratisch bestätigt wird.
Markus Langer, Leiter Markenkommunikation, Evonik Industries AG
2 Antworten auf „4.3 Ein Einwanderungsgesetz einführen“
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Ein Einwanderungsgesetz ist längst überfällig, weil es die Realität der Einwanderung regeln würde. Und ich finde zu einem souveränen Land in der Mitte Europas gehört ein ausgefeiltes und durchdachtes Einwanderungsgesetz einfach dazu. Schließlich haben die USA, Kanada, Australien und Neuseeland das auch…
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Ich habe mir seit einigen Jahren angewöhnt, prinzipiell bei jedem Menschen, dem ich auf der Straße oder anderswo begegne (außer vielleicht in Touristenhochburgen) davon auszugehen: der/die lebt hier, also gehört dieser Mensch dazu. Und Deutsch sein heißt: einen deutschen Pass haben. Und eben nicht „in der 6. Generation“ von „Deutschen abzustammen“. Und dann ist mir Aussehen und Religion egal. Mich fragt ja auch keiner nach meiner Migrationsgeschichte (Rheinland) in Westfalen.
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4.4 Position beziehen
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Auch in Deutschland ist nicht alles Gold, was glänzt. Es gibt Defizite und Probleme, die nicht wegdiskutiert werden können: ob Armut oder fehlende Wohnungen für Familien und Senioren mit geringem Einkommen. Verantwortlich dafür sind jedoch nicht Menschen aus anderen Ländern. Abschottung hilft nicht weiter, rechte Parolen auch nicht. Ängste und Sorgen müssen ernst genommen werden, Probleme müssen gelöst werden…
Die Würde jedes Menschen ist unantastbar
Der Mensch ist Gottes Ebenbild. Darin begründet sich seine unveräußerliche Würde. Weil uns das Engagement für Menschenrechte wichtig ist, positionieren wir uns als Evangelische Kirche von Westfalen für das humanitäre Völkerrecht und die menschenrechtlichen Grundlagen der Europäischen Union. Vor diesem Hintergrund setzt sich die EKvW in vielfältiger Weise für die Rechte von Geflüchteten, Zugewanderten und Menschen mit Migrationsgeschichte ein. Dabei gilt der Grundsatz, dass alle Mitglieder der Gesellschaft ein Anrecht auf Teilhabe und gerechte Lebensperspektiven haben.
Integration als „Motor sozialer Erneuerung“
Angesichts der Integrationsaufgabe, vor die die Zuwanderung uns stellt, sind Probleme der Armut noch dringlicher geworden. Ihnen hätte sich unsere Gesellschaft schon früher stellen müssen.
Die Armutsquote in Deutschland bewegt sich seit Jahren auf hohem Niveau. 2017 galten rund 16 Prozent der Bevölkerung als arm. Immer mehr Menschen leben trotz Erwerbsarbeit unterhalb der Armutsschwelle. Besonders von Armut bedroht sind kinderreiche Familien, Alleinerziehende, Menschen mit Migrationsgeschichte und zunehmend Rentnerinnen und Rentner. Die Kinderarmut liegt mit 19 Prozent deutlich über dem Bevölkerungsdurchschnitt. In einigen Großstädten des Ruhrgebiets macht die Gruppe der von Armut Bedrohten fast zwei Drittel der Bevölkerung aus. Der Bildungserfolg bzw. -misserfolg wird immer noch stark von der sozialen Herkunft bestimmt. Die Ausgrenzung in, aber auch zwischen Kommunen nimmt zu. Die Zahl benachteiligter Quartiere wächst. Bezahlbarer, guter Wohnraum fehlt zunehmend, weil unter anderem Investitionen in den sozialen Wohnungsbau versäumt wurden.
Obwohl diese Probleme schon lange bestehen, werden zu Unrecht oft Geflüchtete für sie verantwortlich gemacht. Bestimmte Gruppierungen versuchen, Sozialneid und Rassismus zu schüren und Armut gegen Armut auszuspielen, benachteiligte Hiesige – oft auch mit Migrationsgeschichte – gegen Geflüchtete. Die Not ist den Ärmsten gemeinsam. Der Notstand (zum Beispiel fehlender bezahlbarer Wohnraum für Wohnungslose und psychisch Kranke) wird verschärft, wenn Hiesige und Migranten sich um zu knappe Ressourcen streiten müssen.
Daraus folgt: Es ist eine Politik notwendig, die das soziale Zusammenleben insgesamt in den Blick nimmt und benachteiligte Einheimische wie Migranten unterstützt. Instrumente der Politik sowie der Stadtplanung und Quartiersentwicklung müssen mit Blick auf die Bedürfnisse von Hiesigen und Zugewanderten, insbesondere Geflüchteten, weiterentwickelt und verknüpft werden. Ein zwischen Bund, Ländern und Kommunen abgestimmtes, umfassendes Integrationskonzept ist zu entwickeln und umzusetzen. Hierzu gehören unter anderem der Ausbau des sozialen Wohnungsbaus, ein zusammenführendes und nicht aussonderndes Bildungssystem, Maßnahmen der Familienförderung und der Bekämpfung der Kinderarmut, die Entwicklung von benachteiligten Quartieren unter Einbeziehen der Bewohnerinnen und Bewohner sowie Zugänge zum Arbeitsmarkt für alle Menschen gleich welcher Herkunft.
Eine querschnittsorientierte Integrationspolitik könnte so zu einem Motor umfassender sozialer Erneuerung in unserem Land werden.
Umgang mit Rechtspopulismus
Die Verunsicherung durch migrationsbedingte Veränderungen im Lebensumfeld führt zu Abschottungstendenzen in Teilen der Bevölkerung. Sie ist sehr ernst zu nehmen. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind auch in Kirchengemeinden vorhanden.
Umso wichtiger ist es, dass Kirchen sich in der Öffentlichkeit schützend vor Menschen stellen, die Angriffen aus rechtsextremen oder fremdenfeindlichen Motiven ausgesetzt sind. Versachlichende kirchliche Stellungnahmen zu menschenfeindlichen Positionen müssen die „rote Linie“ zwischen Meinungsfreiheit einerseits und andererseits Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und Volksverhetzung klar benennen. Die Kirche sollte die berechtigten Anliegen von Zuflucht Suchenden und benachteiligten Hiesigen zur Sprache bringen. Gesellschaftliche Probleme wie wachsende Armut, Aussonderung, mangelnde Teilhabe müssen klar benannt werden.
Die Kirchengemeinden verfügen über Räume, die zur offenen Kommunikation und Diskussion genutzt werden können. Menschen sollten nicht nur ermutigt werden, über ihren Glauben zu sprechen. Sie sollten auch ihre Ängste und Zukunftssorgen thematisieren können. Kirche muss ein angstfreier Raum sein, in dem auch abweichende Meinungen ausgesprochen werden können – jeweils in Respekt vor dem Andersdenkenden.
Wichtig sind demokratiestärkende Bildungsangebote an den unterschiedlichen kirchlichen Orten mit ihren jeweiligen Zielgruppen (Kindertagesstätten und Jugendarbeit, Schulen, kirchliche Erwachsenen- und Familienbildung, Männer- und Frauenarbeit, Evangelische Akademie etc.). Darüber hinaus gilt es, die interkulturelle Kompetenz von Mitarbeitenden zu stärken und die kulturelle Öffnung von Kirchen und Gemeinden zu fördern.
Eine Antwort auf „4.4 Position beziehen“
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Vielfalt auf der Grundlage eines einheitlichen Bewußtseins ist die Natur des Lebens. Geographische Bedingungen formen verschiedene Menschentypen. Sie leben in Gruppen zusammen wie Ansammlungen von Blumen in einem Blumenbeet. Hätte Gott das nicht so gewollt, hätte er eine einheitliche Erde, ein einheitliches KLima und eine einheitliche Menschenrasse geschaffen. Völkerwanderungen wird es immer geben. Aber Einwanderung politisch oder religiös motiviert zu fördern, ist ein Unsinn und gegen die göttliche Ordnung.
Liebe ist die Erfahrung von Einheit. Wem diese Erfahrung mangelt, ist geneigt, dies auf der materiellen Ebene zu verwirklichen. Materie kann dies aber nicht leisten, weil sie lebt von Grenzen. Ohne Grenzen löst sie sich auf.
Religion sollte die Erfahrung von Einheit auf der Ebene des Bewußtseins lehren. Dann würde der Einwanderungs-Unsinn endlich aufhören. „Wer sich selbst verliert um Meinet-Willen, wird sich selbst gewinnen“. D.h.Hingabe an den Willen Gottes und nicht an Irgendjemand Dahergelaufenen.
Einer muss ja den Anfang machen. Ich werfe mal einen Diskussionsbeitrag in die Öffentlichkeit und bin gespannt was sich entwickelt.
Es ist schon bezeichnend das der Abschnitt „Die interkulturelle Entwicklung der Kirche fördern“ fast schon kümmerlich klein ausgefallen ist. Mit Vielfalt tun wir uns schwer und wissen of auch nicht wo wir anfangen sollen. Ich fände es gut wenn wir ein Vielfalt – Förderkonzept für Ehrenamtliche und für Personal in Kirche und Diakonie festschreiben würden. Dazu würde auch gehören, dass es Verantwortliche gibt die für die Entwicklung zuständig sind.
PS.: Das Autoren Team der nächste Hauptvorlage könnte z.B. aus noch unterschiedlichen Berufsgruppen und Arbeitsfeldern bestehen und versuchen die Vielfalt nachzubilden die unsere Kirche und Diakonie ausmacht. Sowohl bei den Berufgruppen, den Ehrenamtlchen, den Arbeitsfeldern, den Hirachieebenen, aber auch bei den Mitgliedern und Zielgruppen mit denen wir gemeinsam unterwegs sind.
„Wer heute als Christin oder Christ in Deutschland lebt, taucht nicht unbedingt in einer Ortsgemeinde auf. “
Wie wahr. Und wenn dann mal jemand Neues kommt… Wie lange kommt dann er oder sie in unseren Gottesdienst? Wie lange muss man dabei sein, damit es auch ihr oder sein Gottesdienst wird.
Wann fragen wir neue Menschen in der Gemeinde ob sie auch „Mitglied“ sind?
„Wir“ und „Uns“ sind leider Vokabeln, die ein „Ihr“ und „Euch“ voraussetzen. Gerade in Prozessen der Integration sind sie sehr mit Vorsicht zu genießen. Wer sind der „Wir“ – Mitglieder der EKvW, Christen, Mitglieder der Ortsgemeinde, regelmäßige Gottesdienstteilnehmende? Und wenn wir von uns sprechen, wen stellt sich der Hörende dieser Aussage vor?
Man stelle sich vor, eine neue Familie kommt zum Gottesdienst und auch zu Gemeindegruppen. Wann wird „sie“ zum „wir“? (Vielleicht kommen „sie“ ja gar nicht aus Westfalen, sondern aus Hessen oder so?)
Was Kirchengemeinden vor Ort tun können: „Aufstehn, aufeinander zugehn“ nicht nur singen und auf sich selbst beziehen, sondern immer wieder den Kontakt mit den „anderen“ suchen: Stadtteilkonferenzen aktiv mitgestalten, Moscheen und Synagogen…besuchen und einladen und eine Willkommenskultur entwickeln. Letzteres ist oft anstrengend, aber für alle bereichernd.